31.08.2023
Besinnungswort zum 27.08.23

Pfarrerin Dagmar Balser, Bonn, z.Zt. Ev. Kirchengemeinde Suhl

Ist es nicht so, wir Menschen haben einen Hang zum Stetigen und Stabilen: Die Partnerschaft soll halten, die Wohnung soll uns bergen, die Arbeitsstelle soll sicher sein, körperlich wollen wir fit bleiben und verschont von Überraschungen. Ähnliches wünschen wir uns für unsere Gemeinden, wohl wissend, wie viel  Wandel und Veränderung  es  in den letzten  Jahren gab, Abschiede, Neubeginne, Brüche, Verluste, Zuwachs.

Und dann die Frage, ist unsere Kirche noch zu retten? Sind unsere Gemeinden noch zu retten? Ist unser christlicher Glaube, der ja durch die Kirchen vermittelt wird, noch zu retten?

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass immer dann, wenn in Presse und Fernsehen über die Kirche berichtet wird, es meistens Negativ-Schlagzeilen sind: schrumpfende Mitgliederzahlen, Missbrauchsfälle, immer weniger Pfarrpersonen, kaum Nachwuchs, Gemeindezusammenlegungen. Um den Zustand unserer Kirchen steht es nicht zum besten wird uns immer wieder suggeriert.

Ich spüre viel Sorge, auch Angst unter den Kirchenmitgliedern über die Zukunft ihrer Gemeinde, die ihnen in all den vielen Jahren Heimat war und Geborgenheit bot. Viele von ihnen haben aktiv am Erhalt der Gemeinde mitgewirkt, tun es noch jetzt. Es werden Fragen laut wie die Kirche in den nächsten Jahren ihre bisherigen bewährten Angebote aufrecht halten kann bei weniger Mitgliedern und weniger ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Ich verstehe die Sorgen. Ja, die Lage ist nicht beruhigend, aber auch nicht hoffnungslos. Sie stellt uns vor Herausforderungen und Aufgaben, die lösbar sind, wenn, ja, wenn den Menschen  etwas am Christentum und an ihrer Kirche liegt. Und genau diese Menschen, wenn auch nicht immer in großer  Zahl, treffe ich auch hier in Ihrer Gemeinde in Suhl und den Nachbarorten; sie gibt es ganz real. Ich sehe sie vor mir, wie sie ihre private Zeit opfern für die Gemeindekirchenratssitzungen. Sie spielen die Orgel und sie verwalten den Besitz, sie kümmern sich um den Kindergottesdienst und verlieren die Alten und Kranken der Gemeinde nicht aus dem Blick. Sie pflegen und reparieren die Gebäude. Sie öffnen die wunderschönen alten Kirchen für Touristen und stehen mit Informationen zur Verfügung. Die Gemeinden, sind sie noch so klein, können immer noch,  mit  Pfarrern und Pfarrerinnen rechnen.

Denke ich das Christentum in seiner jahrhunderte langen Geschichte zurück,  erkenne ich, dass es  sich zu allen Zeiten gewandelt hat. Und ich bin überzeugt, dass das auch in der Vergangenheit nicht ohne Trauer und Verlustschmerz erlebt wurde.

Zu den notwenigen Wandlungen gehört auch, dass wir zur Kenntnis nehmen müssen: wir sind auf dem  Markt der Religions- und Sinnanbieter nicht mehr allein. Neben uns gibt es andere (christliche) Kirchen und Religionen, die gute Botschaften im Angebot haben.

Wie gerne würde ich Ihnen das Patentrezept, in dem all unsere Vorstellungen von der idealen Kirchengemeinde vereint sind, nennen. Ich kann es nicht und ich bin überzeugt, es gibt sie nicht, die ideale  Kirchengemeinde, auch habe ich sie in meinen 35 Berufsjahren nie erlebt. Ich glaube auch, es würde uns zum Stillstand (ver)führen, hätten wir diese ideale Gemeinde.

Was ich Ihnen  aber mitgeben möchte, ist  das Bild vom Schiff, mit dem die Kirche immer wieder verglichen wird.

Dieses Bild gründet in der Erzählung von der Stillung des Sturmes auf dem See Genezareth durch Jesus. Eine packende und für viele eine anschauliche Geschichte. Im Leben mit diesem Mann aus Nazareth bleiben wohl Stürme nicht aus, und unsere christliche Kirchengeschichte zeigt wie oft die Stürme das Kirchenschiffchen schüttelten und in arge Not führten, ja beinahe bis zum Untergang.

Vielleicht kann die Geschichte von der Stillung des Sturms uns helfen, wie wir in und mit unseren derzeitigen Stürmen lernen umzugehen. Es ist für mich nach wie vor erstaunlich, dass Jesus mitten im Sturm schläft. Es wird mit nüchternen Worten festgestellt: „Und er war hinten im Schiff und schlief auf dem Kissen.“ Es sieht so aus, als ob er sich um die Not seiner Jünger gar nicht kümmert.

Wir kennen das, manchmal sieht es so aus, als ob sich Gott um die Not seiner Menschen nicht kümmert. Oftmals gibt es Zeiten, in denen es scheint, als sei Gott abwesend, als schweige er. Doch Jesus hat seine Jünger keinen Augenblick vergessen, auch nicht in ihrer größten Not und Angst, als sie ihn aufweckten und riefen: „Meister, fragst du nicht danach, dass wir verderben?“

Gerade aber das ist das Erstaunliche an seinem Handeln. Jesus steht zur rechten Zeit auf: „Und der Wind legte sich, und es ward eine große Stille.“ Der Friede auf dem Galiläischen Meer ist Hoffnung auch heute für uns. Vergessen wir nicht: Wir haben den rechten Bootsführer bei uns. Die Gegenwart Gottes ist nicht Sturm und Kampf, sondern Stille und Frieden. Ich wünsche Ihnen diesen Frieden, auch in den Stürmen, die uns immer wieder begegnen.