17.08.2023
Besinnungswort zum 13.08.2023
Zweifel erlaubt - von Matthias Gering, Kirchengemeinde Goldlauter-Heidersbach
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat auch meine Gewissheiten erschüttert. Erschrocken stellte ich im Frühjahr letzten Jahres fest, dass ich obwohl ich gegen den Einsatz von Waffen zur Lösung von Konflikten bin, plötzlich die Waffenlieferungen in die Ukraine befürwortete. Nur wenige Tage nach Kriegsbeginn stimme ich innerlich der Lieferung von Panzern und anderen Waffen für hundert Milliarden zu. Was war hier nur geschehen? Fast erleichtert war ich, dass mir bald auch wieder Zweifel an meinem „Sinneswandel“ kamen. Die rigerose Kehrtwende zu immer neuen Waffenlieferungen vieler unserer Politikerinnen und Politiker die in ihren jungen Jahren meistens Kriegsdienstverweiger oder Klimaaktivsten waren und ihre politische Laufbahn auf Friedensdemonstrationen begonnen haben, irritiert mich bis heute genau so wie der verbliebene Pazifismus, der so schnell über das Leid in der Ukraine hinweggeht. Mir fehlen in der Diskussion oft die leisen Töne, das Zweifeln, das Suchen und Ringen nach dem richtigen Weg. Woher nehmen wir die Selbstsicherheit, dass wir immer sofort meinen zu wissen was richtig ist? Ein Spruch der mich mein Leben lang begleitet „ Hör nie auf zu zweifeln. Wenn du keine Zweifel mehr hast, dann nur, weil du auf deinen Weg stehen geblieben bist. Aber achte auf eines: Lass nie zu, dass Zweifel dein Handeln lähmen“ Zweifeln gehört zum Menschsein dazu, Zweifeln hilft uns voran zugehen. Denn wer zweifelt, denkt!
Die Herausforderung ist es, sich dem Zweifel zustellen und den Mut zu fassen über ihn hinauszuwachsen. In der Bibel fällt mir dazu das Evangelium nach Matthäus ein. In der Bergpredigt ( Matthäus 5,1-7,29) kommt die viel zitierte Aussage von Jesus „ Auge um Auge, Zahn um Zahn“ Ich aber sage euch, dass ihr euch dem Bösen nicht wiedersetzen sollt, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem halte die linke auch hin. Aber Jesus Worte lassen sich nicht auf einem Angriffskrieg übertragen- allein schon deswegen, weil es dabei ja nicht meine Backe ist, die ich hinhalten soll. Jesus will uns vielleicht etwas ganz anderes sagen: Tut etwas, was Euren gegenüber überrascht. Etwas, das er überhaupt nicht erwartet und Ihn zum Nachdenken, ja vielleicht sogar zum Zweifeln bringt. Das ist die Macht der Ohnmächtigen die in unserer älteren aber auch in der jüngsten Geschichte schon Mauern hat einstürzen lassen und Erstaunliches bewirkt hat. Auch für unsere privaten und beruflichen Konflikte ist das ein spannender Impuls: Lassen wir den Zweifel an unseren gefestigten Meinungen zu- und tun einfach einmal etwas Außergewöhnliches, womit niemand rechnet. Dazu braucht es etwas Mut und ein bisschen Fantasie und so manche Spirale des Streites und der Gewalt wird damit durchbrochen