23.11.2024
Besinnungswort zum 23.11.2024

von Almut Ehrhardt

Anfang der Woche hat im Radio ein Moderator ganz fröhlich verkündet: In Gotha hat Thüringens erster Wintermarkt geöffnet. Auch die Besucher waren sehr begeistert. Nur weil es nicht Weihnachtsmarkt heißen darf, nennt man es Wintermarkt, um den Schein zu wahren. Um ehrlich zu sein, ich finde das unredlich. Aber was soll ich sagen? Die Spekulatius und Lebkuchen liegen ja schon seit gut zwei Monaten in den Regalen der Geschäfte. Außerdem gibt es frischen Spargel und frische Erdbeeren im Dezember zu Weihnachten zu kaufen, frisch eingeflogen aus Übersee. Die Geburt des armen Kindes in der Krippe in einem Monat wird grandios gefeiert, da wird an nichts gespart. Bei Prediger Salomo im dritten Kapitel heißt es: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit; pflanzen hat seine Zeit, ausreißen was, was gepflanzt ist, hat seine Zeit, weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit…“ Ich möchte diese Weisheit in unsere Zeit übersetzen: Trauern am Ewigkeitssonntag hat seine Zeit, Glühweintrinken auf dem Weihnachtsmarkt ab Advent hat seine Zeit, Stollen backen hat seine Zeit, Stollen ruhen lassen hat seine Zeit, Geschenke auswählen und kaufen hat seine Zeit, Geschenke verpacken hat seine Zeit, Trauerkarten schreiben hat seine Zeit, Weihnachtsbriefe schreiben hat seine Zeit, Gräber schmücken hat seine Zeit, die Wohnung schmücken hat seine Zeit. Und am vor uns liegenden Wochenende ist eben stille Zeit zum Besinnen. Es ist also keine Zeit für „Jingle Bells“ oder „O du Fröhliche“. Wir brauchen in unserem Leben diese Zeiten, die lauten und fröhlichen, aber genauso wichtig sind die stillen und nachdenklichen Zeiten. Wir brauchen aktive Zeiten und Zeiten des Besinnens und der Ruhe. Der Mensch ist kein Perpetuum Mobile, wir müssen Energie, die wir verbraucht haben auch wieder aufladen. Und Ereignisse in unserem Leben müssen wir verarbeiten können. Ewigkeitssonntag ist ein guter Tag, um über unser Leben nachzudenken. Wie viel Zeit bleibt mir noch? Nutze ich meine Lebenszeit sinnvoll? Was sollen die anderen Menschen von mir in Erinnerung behalten? Viele von uns haben verlernt, sich Zeit zu nehmen für die Dinge, für die es gerade „an der Zeit“ ist. Die Erinnerung an die Worte des Prediger Salomo kann uns helfen, es wieder zu lernen. Halten Sie einmal inne an diesem Wochenende, zünden Sie eine Kerze an für einen Menschen, der Ihnen wichtig war in Ihrem Leben, den sie lieb hatten. Erinnern Sie sich an gemeinsam erlebte Zeit, an Ausflüge, an gemeinsames Lachen oder Weinen. Und erinnern Sie sich an Ihre eigenen Träume für Ihr Leben, was ist Ihnen wirklich wichtig? Dafür wünsche ich Ihnen ein besinnliches Wochenende.