16.11.2024
Besinnungswort zum 17.11.2024

von Almut Ehrhardt

Zur Erinnerung an die einsam verstorbenen Menschen in Suhl findet an diesem Wochenende eine öffentliche Gedenkfeier unter der Schirmherrschaft unseres Oberbürgermeisters in der Hauptkirche statt. Es ist traurige Tatsache, dass im vergangenen Jahr in Suhl wieder 35 Menschen einsam verstorben sind. Das bedeutet, niemand hat sie vermisst, keiner hat sich um sie gekümmert, sie wurden teils erst Tage später tot in ihren Wohnungen gefunden. Ich bin mir aber ganz sicher, Gott hat sie nicht vergessen. Paulus schreibt im Brief an die Römer: „Keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“ „Keiner lebt sich selber“, oder anders gesagt: Jeder von uns braucht Menschen um sich herum, wir sind soziale Wesen. Und wir brauchen Gott, wir leben vor ihm und von ihm. Die Realität widerspricht scheinbar diesen Worten. Wir erleben in unserer Gesellschaft gegenteiliges. Jeder lebt sein eigenes Leben, ein schönes oder trauriges. Sehr viele unter uns kämpfen für sich, um den Platz an der Sonne oder um sich selbst zu finden. Wer dies erreicht, hat schon viel gewonnen. Jeder ist allein – keiner ist allein, was stimmt denn nun? Jeder lebt sein eigenes Leben? Ich denke nicht. Wir alle leben von den Errungenschaften, die Generationen vor uns erschaffen haben. Dass wir heutzutage fast überall in Kirchen Gottesdienste feiern können, verdanken wir fleißigen Menschen, die diese Kirchen erbauten. Sie wussten, dass sie ohne Gott nicht leben können. Sie wollten einen Ort haben, an dem sie Gott die Ehre erweisen können. Die Kirche in Schmiedefeld ist etwas über 300 Jahre alt. Manchmal setze ich mich einfach so in eine der Kirchenbänke und wünsche mir eine Zeitreise: Ich frage mich, wie viele Menschen wurden hier wohl getauft? Wie viele Paare begannen hier ihr gemeinsames Leben unter dem Segen Gottes? Wie viele verzweifelte Bitten zu Gott wurden zu diesem Altar gebracht? Um Frieden, um die Beendigung eines Streites, ein Kinderwunsch, um Heilung bei schwerer Krankheit? Oder wie viele Halleluja wurden hier gesungen? Als Dank für Heilung oder das Ende eines Streites oder in Festgottesdiensten? Unsere Wurzeln reichen tiefer in die Geschichte als uns manchmal bewusst ist. „Unser keiner lebt sich selber“ – man braucht nur in eine Kirche zu gehen, um die Bedeutung dieses Satzes zu begreifen. Wer an einer Kirche vorbeigeht oder hinein, wird daran erinnert: Wir führen unser Leben vor Gott. Wer in einer Kirche verweilt, lässt sich auf Gott ein. Aus Kirchen sind Menschen in ihrem Glauben gestärkt nach Hause gegangen. Gewiss, man kann im Leben sehr einsam sein. Doch wer vor Gott aussprechen kann, wie ihm ums Herz ist, beginnt aus der Isolation zu kommen und kann mit Gott eine Gemeinschaft erfahren, die alles Unglück und sogar den Tod überwindet. Jeder lebt sein eigenes Leben? Nein, mit unserem christlichen Glauben gehören wir zur großen Gemeinschaft der Christen auf aller Welt, aber auch zu den Christen vor uns und nach uns. Und deshalb sind auch die einsam verstorbenen Menschen aus Suhl von uns nicht vergessen, sondern deshalb gedenken wir ihrer, welch wunderbarer Trost. Amen