12.10.2024
Besinnungswort zum 12.10.2024

Auf den Hund gekommen

Von Pfarrer Thomas Schumann, 

Evangelischer Klinikseelsorger im SRH-Zentralklinikum Suhl

 

Haben Sie ein Haustier? Vielleicht einen Hund? Dann ist es Zeit, ihm einen Extra-Knochen zu geben. Denn vor zwei Tagen war Welthundetag! 

An jedem 10. Oktober wird daran erinnert, was für eine Bedeutung der Hund – sei es als struppiger Yorkshier-Terrier oder als graziler Weimeraner, als Fußhupe oder Jagdhelfer hat. Nicht umsonst wird er als “Der beste Freund des Menschen“ bezeichnet. 

Doch es gibt Konkurrenz: Die Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch. Vor allem das Handy soll zum treuen Begleiter werden und einen besser kennen als man sich selbst. So soll es einem mit allem zur Seite steht, was man gerade braucht. Doch das ist nicht alles: Ein Spiegel-Artikel berichtet, dass die Künstliche Intelligenz mittlerweile nicht nur in der Lage ist, kreativ zu sein. Nein, sie soll bald eine neue Kunst erlernen: Sie soll einfühlsam werden. 

Dazu wurde ein Computerprogramm geschrieben, das Menschen ihre Einsamkeit nehmen soll. Und tatsächlich haben erste Studien ergeben, dass viele Schwierigkeiten hatten, einen echten Menschen von einem computergenerierten Menschen zu unterscheiden. Schlichtweg: Sie fühlten sich von beiden gleichermaßen wertgeschätzt und getröstet. Aber ist das echter Trost den man sich von einem Computer holen kann? Absolution von allen Sorgen per computergenerierter Botschaft? 

Mein Hund ist doch was anderes. Er liest meine Mimik und Gestik, meine Körperhaltung, nimmt meinen Geruch wahr. Er hört die Klangfarbe meiner Stimme. Er seufzt, wenn ich zur Ruhe komme. Er weiß wann er zu mir kommen kann oder es nicht passt (- außer er muss dringend Gassi gehen). Er spürt, wenn mich Probleme plagen. Empathie ist für mich mehr als nur geschickte Antworten eines Computers, der vorgibt, mit mir zu fühlen. Selbst wenn er in Fell gekleidet wäre Empathie ist vorrangig Offenheit für den Nächsten. Die eigenen Gefühle, seine eigene Persönlichkeit in Resonanz zu bringen mit dem, was das Gegenüber erlebt. Und aus dem darin entstehenden Mitgefühl zu reagieren. 

Gerade wenn man auf den Hund gekommen ist - es einem also sprichwörtlich schlecht geht - erleben viele Menschen empathische Nähe als wohltuend. Der Wert eines Therapiehundes ist längst erkannt worden und findet in der Medizin und Therapie Anwendung.

Wenn ich an unseren Hund denke, der mit mir nach einem langen Tag ächzt, tief durchatmet oder seufzt, fällt mir der Römerbrief ein:

Der Apostel Paulus schreibt: „Wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt“. Kenn ich. Oh ja, mein Hund, Teil von Gottes Schöpfung, ächzt mit mir. 

Denke ich ein Stück weiter, wird mir wieder klar, wieso die Bibel davon erzählt, dass Gott Mensch wird. Er ist kein Zuschauer. Er leidet in und an dieser Welt, wie sie nun mal ist. 

In Jesus zeigt er sein Mitgefühl, setzt sich selbst dem Schwierigen und dem Leiden aus, durch das jeder Mensch durch muss. Er tut nicht nur so. Jesus ist echter Mensch. 

Scham, Angst, Sorge, Schmerz: Jesus, der am Kreuz öffentlich starb, kennt sie. Und in dieser echten Empathie, dem Mitleiden Jesu an diesem Leben tröstet mich Gott: 

Wenn ich an der Welt und an mir selbst zweifle und mit mir selbst hart ins Gericht gehe, tröstet Er mich. Gott macht das, was ich selbst nicht kann: Mir selbst vergeben. Der Auferstandene überwindet die mir gesetzten Grenzen – dass ich wieder frei atmen kann. Durchatmen kann. Neu anfangen kann. 

Und immer wieder schickt er mir meinen Hund, der seine treue Schnauze auf mein Bein legt und mich mit wissenden Augen anschaut. Gott sei Dank!