07.06.2024
Besinnungswort zum 09.06.2024

von Almut Ehrhardt

Almut Ehrhardt

„Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“, dieser Satz stammt aus der Parabel „Farm der Tiere“ von George Orwell. Die Tiere einer Farm werden von ihrem Besitzer misshandelt und ausgebeutet. Als der Farmer betrunken ist und sich nicht wehren kann, jagen die Tiere ihn vom Hof. Nach einiger Zeit des harmonischen Lebens und gemeinsamer harter Arbeit auf dem Hof, beginnen die Schweine sich über die anderen Tiere zu erheben und werden grausamer als es der Farmer je war. Orwell schrieb die Parabel als Antwort auf die Geschichte der Oktoberrevolution von 1917. Die Revolution mündete in die grausame Stalinistische Diktatur. Auch die Französische Revolution von 1789 schlug in ein Terrorregime um und ebnete dem Diktator Napoleon den Weg. Warum ist das so? Warum vergessen wir Menschen das Leid, das wir erfahren haben und tun anderen Menschen ähnliches an? Ich glaube, es hat etwas mit dem Maßstab zu tun, den wir an uns selbst und andere anlegen. Wer die Spielregeln festlegt, bestimmt den Maßstab. Wir haben etwas als gut erkannt und das setzen wir mit aller Macht durch wenn wir endlich die Möglichkeit dazu haben. Die anderen sind doch selbst schuld, wenn sie nicht sehen, wie gut das ist, was wir erreichen wollen. Manchmal werden wir dabei blind für die anderen Menschen. Eltern kennen das Problem sehr gut. Beim ersten Kind ist der Maßstab meist strenger als beim zweiten: Muss das erste Kind noch mit dem Sandmännchen ins Bett, darf das zweite auch noch ein halbes Stündchen länger aufbleiben. Gott hat nur einen Maßstab: Du bist mein geliebtes Geschöpf! Von Gott sind wir alle gleich geliebt: Der afrikanische Junge, der für die Batterien unserer E-Autos die Rohstoffe aus der Erde holt, wie das palästinensische Kind, das nicht weiß, warum seine Welt gerade in Trümmer fällt, der mutige Polizist, der im Dienst niedergestochen wird, die Sanitäterin, die von Passanten angespuckt wird, das kleine verwöhnte Kind, das teure Geschenke anstatt Liebe von seinen Eltern bekommt, das kleine Kälbchen, das für unsere Milch von seiner Mutter getrennt wird, sowie der Orang-Utan, dessen Lebensraum täglich kleiner wird. Beim Evangelisten Markus lesen wir im 4. Kapitel: „Mit welchem Maß ihr messt, wird man euch wieder messen“. Der Maßstab mit dem wir andere messen, muss für unser Tun genauso gelten. Es ist schwer, in einer Welt, mit großen Unterschieden und Ungerechtigkeiten den richtigen Maßstab zu finden. Ich glaube, entscheidend ist, dass wir unseren persönlichen Maßstab nicht anderen aufzwingen. Mutter Theresa hat es uns vorgemacht. Sie hat Sterbende von der Straße ins Krankenhaus gebracht, hat sie gewaschen und entlaust, ist bei ihnen geblieben bis zum letzten Atemzug. Ihre Barmherzigkeit war übergroß. Das war ihr Maßstab. Jesus hat in seiner Bergpredigt Maßstäbe gestellt, die unser gewohntes Denken auf den Kopf stellen. Zusammenfassend sagt er: So wie ihr von anderen Menschen behandelt werden möchtet, so behandelt sie auch. Das ist manchmal schwer, aber es ist möglich. Und mit kleinen Schritten fängt man an. Probieren Sie es aus, heute.