06.06.2024
Besinnungswort zum 02.06.2024

von Almut Ehrhardt, Koordinatorin für die Arbeit mit Senior*innen im Kirchenkreis Henneberger Land

Almut Ehrhardt

Können Sie gut verlieren? Mir hat einmal jemand gesagt, beim „Mensch-ärgere-dich-nicht“ spielen zeigt sich der wahre Charakter eines Menschen. Es liegt ein Körnchen Wahrheit in diesem Satz. Am vergangenen Wochenende hatte Suhl die Wahl. Nun will ich nicht ernsthaft behaupten, dass die Wahl eines Oberbürgermeisters und die Wahl von Stadträten viele Gemeinsamkeiten mit einem Gesellschaftsspiel haben, aber es gibt bei beidem Verlierer und Gewinner. Mir hat die Geste sehr gut gefallen, dass der alte und neue OB und sein Herausforderer nach der Wahl signierte Wahlplakate tauschten, es ist ein Zeichen von Fairness und die Willensbekundung, zum guten Gedeihen der Stadt zusammenarbeiten zu wollen. So muss es sein. Andere Reaktionen ließen mich eher an verlierende Spieler denken, die das Spiel umkippen, sobald sie realisieren, dass sie verloren haben. Auch erwachsenen Menschen passiert so etwas. Bedauerlich, wenn man in seinem Leben nicht gelernt hat, zu verlieren. Schade, wenn man Wählerwillen nicht akzeptieren kann. Wir leben nun einmal in einer Demokratie, sie ist ein hohes Gut. Manchmal beschleicht mich das ungute Gefühl, dass manche Menschen Demokratie nur gut heißen, solange sie auf der Gewinnerseite sind.
Das Volk Israel im 11. Jh. vor Christus lebte nicht in einer Demokratie, es gab kein Parlament. Es wurde geleitet von Gottes Wort und seinen 10 Geboten. Das war ausreichend. Aber gegen die Bedrohung von außen verlangten die Menschen nach einem König, der sie führt, so wie sie es bei anderen Völkern sahen. Einen starken Anführer wollten sie haben. Der Richter Samuel berief und salbte mit Gottes Hilfe den ersten König des Volkes Israel: Saul. Er war ein großer Kämpfer. Er besiegte mit seinem Heer die Philister, die die Stämme Israel bedrohten. Aber er wurde mit der Zeit immer herrschsüchtiger, unberechenbar. So entzog ihm Gott seinen Segen. Als nächster König wurde David berufen, salopp gesagt, der Hirtenjunge, der den Philister Goliath mit der Steinschleuder besiegte. Er einte die Stämme Israels zu einem Großreich mit Jerusalem als Hauptstadt. David war ein gottesfürchtiger Mensch, er schrieb zahlreiche der 150 Psalmen. Aber auch er war nicht fehlerfrei. Kurz vor seinem Tod berief er Salomo zu seinem Nachfolger und ließ ihn salben. Salomos Weisheit ist sprichwörtlich. Noch heute gelten Salomonische Urteile als gerecht und weise. Er mehrte den Reichtum des Volkes Israel, baute den Salomonischen Tempel in Jerusalem und war als Herrscher weithin bekannt und geachtet. Aber auch er hatte Fehler. Er heiratete mehrere Frauen aus den Nachbarreichen und diente später den Göttern dieser Nebenfrauen. Daraufhin entzog ihm Gott seinen Segen. Das Israelische Großreich zerfiel in das Nord- und Südreich, damit war es angreifbar und verlor schnell an Bedeutung. Macht verdirbt den Charakter, sagt man. Auch in einer Demokratie gibt es Menschen, die mehr Macht haben als andere, und damit muss man umgehen können. Auf der anderen Seite haben die Wähler die Möglichkeit, Regierende, die nicht zum Wohl der Gemeinschaft regieren, zu erkennen und abzuwählen. Das Volk Israel konnte einen gesalbten König nicht abwählen. Wir haben diese Chance, nutzen wir sie weise. Und die Botschaft an die Volksvertreter: Lernt demokratisch zu handeln, man muss eine Wahl auch verlieren können, da sind wir wieder beim Mensch-ärgere-dich-nicht. Kinder, die nicht verlieren können, sollten sich nicht wundern, dass niemand mehr mit ihnen spielt. Verlieren ist ein Lernprozess, gewinnen auch. Ich wünsche mir, dass auf der Arbeit des neuen Suhler Stadtparlamentes der Segen Gottes ruht.