03.11.2024
Besinnungswort zum 02.11.2024
Aura
Von Pfarrer Thomas Schumann, Evangelischer Klinikseelsorger im SRH-Zentralklinikum Suhl
Vor einigen Tagen kürte der Langenscheidt Verlag das Jugendwort des Jahres 2024. Jugendliche zwischen elf und zwanzig Jahren waren dazu aufgerufen, Vorschläge bei der Jury einzureichen, die schließlich das Wort „Aura“ zum Jugendwort kürte. Wie kam es dazu? In einem Artikel der New York Times wurde der Begriff Aura auf den Niederländischen Fußballspieler Virgil Van Dijk angewendet. Sinngemäß schrieb sie: Van Dijk ist so ein begnadeter Fußballer, so dass seine technischen Fehler nicht ins Gewicht fallen. - Er hat halt eine besondere Aura. Offenbar traf der Begriff den Nerv der Jugendlichen, die über soziale Medien den Begriff verbreiteten, so dass er also „viral“ ging.
Aura meint im ursprünglichen Sinne ein den Menschen umgebende Ausstrahlung. Sie umgibt den Menschen wie eine unsichtbare Schutzschicht, an der üble Nachrede und Schaden abprallt. Wer eine Aura hat, der muss sich keine Sorgen machen. So eine Aura wünsche ich mir auch. Dass – egal welche Dummheit ich begehe – sie mir letztlich nicht schadet. Dass ich bei anderen Menschen nicht unten durch bin, wenn ich einen Fehler mache. Aber auch, dass Schaden an der Aura wie an einem unsichtbaren Schutzschild abprallt. Bei Abraham funktioniert es. Gott verspricht ihm, dass er ihn schützt. Er segnet ihn. Und dieser Schutz ist wie eine Aura: Abraham gibt aus Angst um sein Leben beim König Abimelech seine Frau Sara als seine Schwester aus. Als dieser darauf hin sie heiraten möchte, fliegt die ganze Sache auf – aber die Aura des Abraham, der Segen Gottes, wirkt. Der König Abimelech lässt von seinem Zorn ab und rächt sich nicht.
Die Sehnsucht nach einem unsichtbaren Schutz wie eine Aura ist universal. Nicht allein im Christentum, sondern auch im Buddhismus und schiitischem Islam werden religiöse Persönlichkeiten mit einem Strahlenkranz um den Kopf herum versehen. Selbst die Esoterik verwendet diesen Begriff. Offenbar gehört es zum Menschsein dazu, sich so etwas zu wünschen. Ich verstehe, dass Jugendliche sich nach einer Aura sehnen. Sie sprechen manchmal von ihr wie von einem Punktesystem. Man kann – wie bei einem Computerspiel – die Aura durch das eigene Handeln in ihrer Schutzfunktion stärken oder schwächen kann. Nun, in theologischer Hinsicht haben sie insofern Recht: Ich kann mir bewusst machen, dass ich von Gott beschützt und begleitet – kurz: gesegnet bin. Wenn ich die Augen zumache für einige Minuten kann ich mir vorstellen, wie Gottes Segen sich um mich herum ausbreitet. In diesem Wissen in ungewisse Situationen zu gehen, wird mich innerlich stärken und meine Gewissheit stärken: Gott ist da. Er segnet mich. Er schützt mich.
Sie können es ja selbst ausprobieren. Augen zu – und spüren: Gott ist da. Gott umgibt mich. Er schützt mich mit seinem Segen – wie eine Aura.