09.06.2022
Besinnungsowrt zum 12.06.2022

von Almut Ehrhardt, Leiterin Familienzentrum und Mehrgenerationenhaus "Die Insel", Suhl

Almut Ehrhardt

Wenn ein Bauer seine Saat ausbringt, weiß er nicht, wie gut seine Ernte sein wird. Zu früheren Zeiten war das noch ungewisser als heutzutage. Heute gibt es Gewächshäuser, den optimalen Dünger für jedes Obst oder Gemüse und viele andere Hilfen für gutes Wachsen und Gedeihen. Und trotzdem bleibt ein Risiko: Wird es genug regnen? Oder regnet es zu viel? Scheint die Sonne oft genug oder wird es zu trocken sein? Oder wird gar ein Hagelsturm die ganze Ernte vernichten? Und trotz aller Unwägbarkeiten bringt der Bauer immer wieder seine Saat aus. Haben unser ganzes Tun und unsere ganze Mühe einen Sinn? So fragt sich vielleicht der eine oder andere, wenn er morgens zur Arbeit geht, denn der Bauer ist nicht der einzige, der nicht weiß, ob „seine Saat“ aufgeht. Aber an seinem Beispiel lässt sich die Frage nach dem Sinn unseres Tuns sehr gut auf den Punkt bringen, wie man so schön sagt. In der Bibel im Buch „Der Prediger Salomo“ steht Kapitel 11,6: „Am Morgen säe deinen Samen, und lass deine Hand bis zum Abend nicht ruhen; denn du weißt nicht, was gedeihen wird, ob dieses oder jenes…“ Von September 1990 bis zum Sommer 2011 habe ich als Lehrerin Religionsunterricht gegeben, von der ersten bis zur 10. Klasse. In der 10. Klasse entschieden sich manche Schüler für eine mündliche Prüfung im Fach Religion. Und ich war immer sehr gespannt, was die Schülerinnen und Schüler sich gemerkt hatten von Gott, Jesus Christus, vom Volk Israel und vom Beginn des Christentums. Manches Mal wurde ich bitter enttäuscht und mancher Prüfling hat mich positiv überrascht. Neulich hatte ich eine unerwartete Begegnung mit einer ehemaligen Schülerin. Ich traf sie zufällig auf einem Sonntagsspaziergang mitten im Wald mit ihrem Kind. Seit einigen Jahren ist sie verheiratet und lebt in Bayern in einer Kleinstadt. Sie grüßte freundlich und wir kamen ins Gespräch. Sie dankte mir für viele Impulse, die sie im Unterricht damals von mir bekommen hat, über Toleranz, Menschenwürde und den Umgang mit Gottes Schöpfung. Nachdem wir uns verabschiedet hatten, ging ich nachdenklich weiter. Mir wurde bewusst: In dieser jungen Frau ist „meine Saat“ aufgegangen. Sie ist eine Frau, die mit offenem Herzen durch die Welt geht, Verantwortung übernimmt und den anderen Menschen mit Nächstenliebe begegnet. Auch wenn ich nicht oft so ein Feedback meiner Arbeit bekomme, so weiß ich doch, dass meine Arbeit nicht umsonst war, dass meine Arbeit Früchte trägt, auch wenn ich es nicht immer sehe. Es gibt viele Berufe, in denen das Ergebnis der Arbeit nicht für alle sichtbar am Ende des Tages abgerechnet oder vorgezeigt werden kann. Das soll uns aber nicht daran hindern, sich jeden Morgen mit Engagement und Freude auf den Weg zu machen. Denn wenn es nur ein Mensch ist, den Sie mit Ihrer Hilfe oder Ihrer Nettigkeit heute erfreuen, helfen oder trösten, dann ist die Saat schon aufgegangen.