01.04.2021
Ein Osterbrief

von Pfarrerin Kerstin Gommel, Gemeinde Suhl

Der Löwenzahn. Das schönste Unkraut unserer Heimat. Seine Blüten leuchten wie die Sonne, seine Blätter sind an­scheinend schmackhaft – jedenfalls, wenn man Kaninchen ist. (Oder, wie ich nachschlage, Kuh, Schaf, Ziege und auch Reh.) Am Ende seines Lebens wird der Löwenzahn zum sanften Symbol der Vergänglichkeit. Einmal kräftig pusten – und fffftt… Wer hat das als Kind nicht gerne gemacht?!

Der Löwenzahn ist das sprichwörtliche Durchbeißerchen. Er gedeiht nicht nur auf fruchtbaren Wie­sen, sondern auch in Betonwüsten. „Durch die Fugen nagt sich gelb der Löwenzahn. Seht der Löwenzahn: seht, er ist ein Held! Seht der Löwenzahn: nichts schlägt ihn aus dem Feld.“ So hat 1982 die Magdeburger Rockband REFORM gesungen.

Das war eine bange Zeit damals. Wir befanden uns auf dem Höhepunkt des nuklearen Wettrüstens. Wir haben es tatsächlich für möglich gehalten, dass doch eine der Super­mächte die Nerven verliert und den roten Knopf drückt.  Im Westen de­monstrierten Hunderttausende für den Frieden. Im Osten füllten sich die Kirchen mit „Schwerter zu Pflug­scharen“ und Friedensdekaden. Und wir waren uns nicht sicher, ob Beten und Widerstehen helfen. Da machte so ein Lied Mut.

Der Kirchenkreis Henneberger Land verteilt dieses Jahr zu Ostern Kühlschrankmagneten. Darauf leuchtet die Alltagsblume Löwenzahn, die lateinisch Taraxacum heißt, als wäre sie ein Held aus Asterix. Du zeigst mir den Weg zum Leben, steht dazu geschrieben (Psalm 16,11). So lange schon ist unser Leben auf Standby gestellt. „Das Jahr, das 100 Jahre gedauert hat und sich doch ange­fühlt hat wie ein einziger langer Tag“, habe ich dieser Tage gelesen. Wie lange noch? Helfen Beten und Durchhalten? Wie lange noch? Es ist noch nicht vor­bei. Wir brauchen noch ein bisschen Löwenzahn-Stärke.

Schauen Sie nahe hin: mit gar nicht so viel Phantasie erblüht der gemeine Löwenzahn wie eine prächtige Dahlie. Da zeigt sich doch in der gewöhnlichsten Pflanze, wie gut es der Schöpfer mit uns meint. Und wenn ER schon den Löwenzahn so schön gemacht hat, wieviel wird ER erst uns schenken!

Ich wünsche Ihnen ein Osterfest, an dem Sie berührt werden von der Güte und Schönheit des Schöpfers unseres Lebens.

Ihre Pfarrerin Kerstin Gommel