08.09.2021
Besinnungswort zum 12.September 2021

von Almut Ehrhardt, Leiterin Familienzentrum und Mehrgenerationenhaus "Die Insel", Suhl

Almut Ehrhardt

In den letzten Wochen höre ich immer mal wieder von Menschen folgende Klage: “Wie ist die Welt doch schlimm geworden!“ Oder: „In was für einer Zeit leben wir bloß?!“ Manchmal wird dann noch hinterher geschoben: „Früher war doch nicht alles schlecht.“ Am liebsten möchte ich fragen: „Was war früher besser für Sie?“ Waren die früheren Zeiten wirklich besser? Die Zeiten von Pest und Cholera, Krieg, Verwüstungen und Hungersnöten? Als meine Tochter geboren wurde, war der Kalte Krieg in vollem Gange, die großen Mächte USA und Sowjetunion rüsteten auf deutschem Boden auf, es standen sich Waffensysteme gegenüber, die eine Zerstörungskraft für zig Erdplaneten gehabt hätten… Aber so sind wir Menschen wohl, wir sehnen uns nach dem, das wir nicht haben, vielleicht nach der verlorenen (perfekten) Kindheit? Auch die Bibel weiß davon zu berichten: Kaum ist das Volk Israel aus Ägypten geflohen, im Roten Meer trockenen Fußes dem Heer des Pharaos entronnen, beginnt die Wüstenwanderung und damit eine schwere Zeit. Das Volk Israel weiß nicht, wie lange die Wanderung dauern wird. Klar, eine Wüstenwanderung ist kein Einkaufsbummel oder Strandspaziergang, nein, aber das Volk ist frei, endlich! Wie lange hatten sie während der Knechtschaft in Ägypten ihre Herrscher verwünscht und zu Gott um Freiheit gefleht. Und nun schmeckt ihnen die Freiheit sauer bzw. bitter. Freiheit hat ihren Preis. Dietrich Bonhoeffer sagte: „Freiheit braucht Verantwortung.“ Und diese Verantwortung muss von den Menschen wahrgenommen werden. Stattdessen murrt das Volk Israel gegen Mose und wünscht sich zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurück. Mose hat alle Hände voll zu tun, das Volk zu besänftigen, er ist ein Kümmerer. Unermüdlich betet er zu Gott um Geduld mit dem Volk und um dessen Wohlergehen. Durch Moses Fürbitte hat das Volk das Nötigste und kann weiterziehen. Man kann die ganze Geschichte nachlesen im Alten Testament im 2. Buch Mose. Auf welcher Wanderung sind wir heute? Sehen wir uns in der Wüste oder auf dem Weg ins gelobte Land? Wohin geht die Menschheit und wie lang wird der Weg sein? Ich glaube, dass die Menschheit immer auf einem Weg sein wird, der nicht geradlinig ist. Aber ob wir den Weg als steinig oder über eine blühende Wiese führend empfinden, ist Ansichtssache. Dafür sind wir Menschen zu unterschiedlich in unseren Sichtweisen, Zielen und Möglichkeiten. Und es ist gut, dass wir Menschen so unterschiedlich sind. Aber ich glaube auch, dass die Menschheit den Weg nur schafft, wenn wir, damit meine ich jeden, Kompromisse eingehen, aufeinander zugehen, anderen Menschen zuhören und ihre Meinung respektieren, mal die Perspektive wechseln, nicht auf unser vermeintliches Recht pochen und Gewalt dabei nie als Argumentationshilfe in Erwägung ziehen. Das muss man üben. Und gut daran ist: Man kann am Tag x damit anfangen, beispielsweise gleich heute