11.02.2024
Besinnungswort zum 10.02.2024

Wir sind mehr

​Von Pfarrer Thomas Schumann, 

Evangelischer Klinikseelsorger im SRH-Zentralklinikum Suhl

 

Was für ein bewegtes Wochenende liegt da hinter uns. In der Innenstadt Suhls findet unter dem Titel „Suhl steht zusammen“ eine Demonstration mit 250 Menschen statt. Aber nicht nur in Suhl, sondern auch in Ilmenau (1.200), Meiningen (500), Sonneberg (700), Coburg (4000), Erfurt (9000) - ja in ganz Deutschland gehen Menschen auf die Straße. Zuletzt haben wir so etwas 1989 erlebt. Doch jetzt passiert das nicht nur in einem Teil Deutschlands. Menschen aus Ost und West, Süd und Nord gehen auf die Straße - bis dato 3.000.000. Sie zeigen: 

Wir sind mehr! Wir lassen uns die Demokratie nicht nehmen. 

Es ist eine Bewegung, die ich bemerkenswert finde. Vor allem darin, dass wir in ganz Deutschland ein gemeinsames Thema haben, für das wir uns einsetzen. Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen, sondern wir sind eine Gesellschaft - die die bestehende Vielfalt der Bundesrepublik als Reichtum und Ausdruck von Freiheit und Menschenwürde versteht. Es ist ein Lernprozess, der Ost und West gemeinsam betrifft. Bedroht durch perfide Pläne der - nicht nur in Thüringen - gesichert rechtsextremen AfD, die die Gleichschaltung aller Menschen und Deportation beabsichtigt, ja den Parteienstaat abschaffen will, merken wir eines: Demokratie muss verteidigt werden. Demokratie ist Kampf um Meinungen und Mehrheiten. Aber nur solange man sich im Kreis des Grundgesetzes bewegt. Enttäuschung und Rückschläge inklusive. Demokratie ist anstrengend - aber der Weg zurück in eine Diktatur, die eine Assimilation - also eine Gleichschaltung der Meinung - intendiert?

Nein! Das hatten wir schon mal. Das wollen wir nicht mehr. Das zeigen die knapp 3 Millionen Menschen, die in den vergangenen Wochen auf den Straßen unterwegs waren. Und die Kirche? Sie ist dabei. Denn Jesus hat einmal gesagt: „Wo zwei oder drei in meinem Sinne zusammen sind, bin ich mitten unter ihnen.“ Und Jesus ist dabei, weil Jesus parteiisch ist: Er tritt ausnahmslos für die Menschlichkeit ein. Er würdigt die Menschen am Rande der Gesellschaft: Kranke besuchen, Arme versorgen, Gefangene trösten, Geflüchtete versorgen und diese Menschen auf menschenwürdige Art zu behandeln, darum geht es ihm. Der Mensch ist eben mehr als arm oder reich, klug oder dumm, fremd oder heimisch. Der Mensch ist Mensch. Der eine ist nicht mehr wert als die andere. Oder wie die Holocaustüberlebende Margot Friedländer sagt: „Ihr braucht zu viele Worte … - braucht weniger Worte. Meine Mission ist: Ich sage, seid Menschen. Wir sind alle gleich. Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Alles ist gleich. Wenn ihr Menschen seid, dann werdet ihr wissen, dass ein Mensch sowas nicht machen würde.“ 

Um sich Christ oder Christin zu nennen, reicht es nicht, jetzt zu nicken und dann wieder zur Tagesordnung zurück zu kehren.Es geht darum, in Jesu Sinne zu handeln. „Seid nicht Hörer des Wortes (allein), sondern Täter“ (Jakobus 1,22), heißt es in der Bibel. 

Die Menschen, die dieser Stimme folgen, sehe ich auf der richtigen Spur. Es können noch mehr sein und ich vertraue darauf, dass die Angst dem Mut weicht. Jesus sagte einmal: "Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch.Seid ihr denn nicht viel mehr als sie?“

Ja, wir sind mehr - in Ost und West. In Nord und Süd. Viel mehr.