17.08.2020
Besinnungswort zum 08.August 2020

Von Pfarrer Thomas Schumann, Evangelischer Klinikseelsorger im SRH-Zentralklinikum Suhl

Pfarrer Thomas Schumann

Querdenken

Querdenker. Unter diesem Motto fand letzte Woche in Berlin eine Demonstration gegen den derzeitigen Umgang der Regierung mit Corona statt. Zehntausende waren vor dem Brandenburger Tor zusammengekommen - zum großen Teil ohne Mund-Nasenschutz, dicht gedrängt.

Ja, Corona macht keinen Spaß. Es sind nun schon viele Monate, die wir mit diesem Virus zu tun haben, und jeder hat die Folgen dieser Infektionskrankheit zu spüren bekommen. Doch es ist es nicht allein der Frust, der die Menschen auf die Straße treibt. Es ist die Phantasie, dass die Corona-Pandemie so gar nicht existiert und nur eine Erfindung ist. Das wäre auch erheblich einfacher: Dann wäre der Feind nicht ein unsichtbarer Virus, sondern sichtbare Menschen, die man haftbar machen kann. Aber so einfach ist das nicht. Für mich - und den überwiegenden Anteil der Bevölkerung - sieht das eher verquer als quer gedacht aus.

Doch wie sollen wir mit dem Virus in den nächsten Monate weiter umgehen? Wie lange sollen wir das noch aushalten? Zu biblischen Zeiten stand der König Ahas vor der schwierigen Frage, welchen Weg im Umgang mit den Assyrern, die Israel gefährlich nach gekommen waren, umzugehen.  Sollte er in eine riskante Koalition mit anderen Staaten eingehen oder lieber abwarten und aushalten?

Der damalige Prophet Jesaja forderte ihn zum „stille halten“ auf. „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“, meinte er. Er bezog sich dabei nicht auf Virologen oder Medien, sondern auf Gott. „Stille halten“, möchte ich im doppelten Sinne verstehen:

Es ist das stille halten: Ich will das durch den Shutdown Erreichte nicht zunichte machen, sondern mich mit Vorsicht in die „neue Normalität“ tasten.

Es ist das Stille halten: In der Stille kommen in mir die verstörenden Hilferufe der Krankenhäuser Italiens vor Augen. Ich erinnere ´mich an die unendlich langen Leichenkonvoys. Und ich bin Gott dankbar, dass wir davor bislang verschont geblieben sind. Die Augen davor zu verschließen, den Virus zu leugnen wäre verquer: Es bedeutete, mit geschlossenen Augen geradewegs ins Unglück zu laufen.

Der Shutdown war eine Entscheidung gegen den Materialismus und Egoismus - für die Mitmenschlichkeit. Eine Entscheidung für das, was uns Jesus gebietet: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Auch wenn der Shutdown uns viel kostet, hat er viele unwiederbringliche Leben gerettet.

Der Coronavirus gibt mir die Gelegenheit, quer zu denken - nicht weil es den Virus nicht gibt - sondern weil er unsere Weise zu leben hinterfragt.

Da nach Gott zu fragen, dem was uns als Menschen eigentlich gut tut und was verändern, das ist es! Und darauf vertrauen, dass ich da, wo ich glaube, auch bleibe: Kraftvoll, zuversichtlich, getröstet, liebevoll, besonnen, ausdauernd.