08.10.2023
Besinnungswort zum 08.10.2023
von Almut Ehrhardt
Kennen Sie das? Ein Kind bekommt in der Fleischerei über den Ladentisch ein Stückchen Wurst gereicht. Und die Begleitperson des Kindes fordert es auf: „Wie sagt man da?(!)“ – „Danke“ kommt dann mehr oder weniger enthusiastisch, laut oder kleinlaut als Antwort vom Kind.
An den beiden vergangenen Wochenenden feierten Christen in Deutschland Erntedankfest. Wir sagen Danke für die Dinge, die wir zum Leben haben: Nahrungsmittel, Strom aus der Steckdose, eine warme Heizung und Kleidung, die uns wärmt und gut aussehen lässt. Sind wir modernen Menschen noch dankbar? Oder ist Dank eher eine Pflichtübung geworden wie bei dem Kind in der Fleischerei? Immer häufiger höre ich: Warum soll ich dankbar sein für die Lebensmittel, die ich im Supermarkt einkaufe? Schließlich habe ich sie an der Kasse bezahlt, und für das Geld habe ich hart gearbeitet. Wofür soll ein Obdachloser in unserem reichen Deutschland dankbar sein? Dafür, dass jemand absichtlich Dosen und Flaschen achtlos in den Müll wirft, damit er sie sich dort heraussammeln kann? Eine ältere Dame sagte neulich zu mir: Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem ich gesund aufwachen darf und an dem ich genug zum Leben habe, und ich bin dankbar für Ihren Besuch, dass Sie mir zuhören, dass ich Ihnen meine Sorgen erzählen kann. Eine Dame in ihrem neunten Lebensjahrzehnt, die ihr ganzes Leben an dem Wohlstand, den die jüngeren Generationen jetzt genießen dürfen, mitgearbeitet hat und jetzt nur eine kleine Rente bekommt, ist zutiefst dankbar und zufrieden. Diese Zufriedenheit schöpft sie auch aus ihrem Glauben. „Alle Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ So steht es im 1. Petrusbrief im 5. Kapitel. Und Sorgen hatte die Frau in ihrem Leben genug: Eine behütete Kindheit auf dem Dorf, dass die Nationalsozialisten mit Gewalt regierten, kam bei ihr nicht an. Wohl aber die Sorgen, die Not und die Trauer, die der 2. Weltkrieg mit sich brachte. Nach dem Krieg die schweren Jahre des Wiederaufbaus. Sie musste zwar nicht hungern, da die Eltern eine kleine Landwirtschaft hatten, aber die Zeit war trotzdem hart. Ihre Kleidung waren die abgelegten Sachen der älteren Schwester. All die Annehmlichkeiten, die wir heute als selbstverständlich erachten, waren damals nicht zu haben oder reiner Luxus. Von Fernreisen will ich hier gar nicht reden. Aber immer ging es weiter. Sie gründete eine Familie, erzog mit ihrem Mann drei Kinder zu tüchtigen Erwachsenen. Die Dame sieht sich als gesegnet an, dass es zu Zeiten der DDR nicht gern gesehen war, dass sie der Kirche treu blieb, hat sie nicht davon abgebracht, es doch zu tun. Sie wusste immer, dass der Segen Gottes stärker ist als die Regierung der Sozialistischen DDR. Sorgen hat sie im Gebet mit Gott geteilt und sie sagt, Gott hat sie gehört, auch wenn die Lösung eines Problems anders aussah als sie sich manchmal erhoffte und wünschte. Dieses Gespräch hat mich zutiefst mit Demut erfüllt. Mir wurde bewusst, dass Dankbarkeit kein flüchtiges Gefühl ist, sondern eine Lebenseinstellung. Dankbarkeit sagt etwas aus über die Beziehung, die ich zu Gott habe. Die vergangenen Generationen hatten alle große Herausforderungen: Die Nachkriegsgeneration: Den Wiederaufbau und die Bewahrung des Friedens im Kalten Krieg, die nächste Generation bewältigte das Zusammenwachsen Europas nach dem Fall der Mauer. Und immer sagten die Eltern: Wir wollen doch, dass es unsere Kinder besser haben als wir. Haben wir den jungen Menschen heute eine bessere Zukunft geschaffen? Sie müssen nicht mehr Kohlen aus dem Keller schleppen, damit der Kachelofen geheizt werden kann, sie haben alle ein Handy, mit dem sie den Pizzaservice anrufen können, wenn sie Appetit darauf haben, das ist wahr. Aber wie sieht es sonst aus? Unser Wohlstand hat seinen Preis. Jugendliche haben Sorgen um ihre Zukunft. „Alle Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ So steht es im Petrusbrief. Das gilt auch heute noch. Das gilt für alte Menschen und es gilt für die Jungen. Und wann die letzte Generation auf dieser Erde lebt, das wissen wir nicht, das weiß Gott allein. Und das ist gut so. Amen