05.02.2022
Besinnungswort zum 06.02.2022

von Pfarrer Andreas Barth, Gemeinde Schleusingen

Pfarrer Andreas Barth

„Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.“ (Epheser 4,26)

Diesen Satz kann man eigentlich nur lieben, oder? Er sagt ja gleich, was wir nur zu gerne hören: Zorn ist berechtigt. Wir kennen den Zorn – ob er immer richtig ist oder nicht – und er ist berechtigt. Es gibt Gründe, zornig zu sein. Gründe in unserer Umgebung, Gründe in der Geschichte und der Gegenwart der Menschen. Es ist ein Grund zum Zorn, wenn Menschen sich darin gefallen, böse zu sein und über alles zu lästern, was ihnen vor die Sinne kommt. Es ist ein Grund zum Zorn, wenn Menschen sich allein um sich kümmern und die Erde, Gottes schöne Schöpfung, mit ihrer Gier ausbeuten. Wenn Kinder missbraucht werden, müssen Menschen zornig werden. Wenn Menschen verfolgt und geknechtet werden, auch. Der Gründe zum Zorn sind viele – der Gründe zum Sündigen dann aber nicht.

Denn auch wenn Zorn berechtigt ist, so ist die Sünde, die aus dem Zorn kommt, es noch lange nicht. Wir dürfen nicht mit gleicher Münze heimzahlen, wie das immer genannt wird. Ein Zorniger darf nicht das Recht brechen, nur weil es andere auch gebrochen haben. Und wer ein Gebot bricht, darf darum nicht auch ungerecht behandelt werden. Ja, der Beispiele gäbe es viele. Und verständlich sind auch viele davon. Richtig aber ist keins. Zorn bekämpft man weder mit Zorn noch mit einer Sünde. Auch wenn es schwerfällt zu verstehen: Sogar Verbrechern aller Art gilt erst einmal das Recht. Zorn rechtfertigt keine Ungerechtigkeit und keine Sünde und auch keinen Rechtsbruch.

Als der Verfasser des Epheserbriefes etwa im Jahre 90 nach Jesu Geburt diesen Satz an seine Gemeinde schrieb, war seit Jesus schon viel Zeit ins Land gegangen. Zeit, in der Christen sich auch fragen mussten: Dürfen und müssen wir uns jeden Spott gefallen lassen? Dürfen und müssen wir alles aushalten, was andere über unseren Glauben denken und sagen? Nein, ist die Antwort des Verfassers. Das müsst ihr nicht; ihr dürft darüber auch zornig werden, aber: Eine Sünde rechtfertigt ihr damit nicht. Darum ist der Rat des Briefschreibers an seine Gemeinde: Lasst die Sonne nicht untergehen über eurem Zorn; lasst den Zorn möglichst verrauchen oder bringt ihn wenigstens auf Sparflamme. Am besten durch einen tiefen Nachtschlaf nach Sonnenuntergang. Das ist nicht leicht, weiß Gott nicht. Aber, es hilft. Beim nächsten Sonnenaufgang sieht manches etwas anders aus; und zwar in euch. Ihr habt mehr Geduld am nächsten Morgen. Ihr werdet eure Antwort weiser wählen. Und, im besten Fall, werdet ihr die Sache Gott überlassen, dem Richter. Er kümmert sich um Gerechtigkeit – entweder bald schon auf Erden oder im Gericht.

In diesem Sinne: Bleiben Sie behütet!