17.12.2020
Besinnungsworte zum 4.Advent 2020
Von Pfarrer Thomas Schumann, Evangelischer Klinikseelsorger im SRH-Zentralklinikum Suhl
Weichspüler
Seidenweiche Worte – vielleicht erwarten Sie das an dieser Stelle. Worte, die diese schwierigen Tage, die wir erleben, weich spülen. Die Sie irgendwie zum 4.Advent ein Stück Wellness spüren lassen.
Leider kann ich heute nicht damit dienen. Ich kann nicht einstimmen in „Friede-Freude-Eierkuchen“. Wir befinden uns am Anfang des zweiten, langen und harten Lockdowns. Vor Ort in der Klinik erlebe ich zunehmende Anspannung angesichts einer Lage, die immer schwerer beherrschbar wird. Wo gegengesteuert werden muss. Wo es auf jeden Einzelnen – im Haus aber auch auf jeden und jede in der Gesellschaft ankommt. Da seidenweiche Worte zu sprechen und ein wenig in Weihnachtsstimmung einlullen mag ich nicht.
Ohnehin: Es ist Advent. Advent im ursprünglichen Sinne ist knallhart, hat mit Einkehr und Besinnung zu tun, nicht mit Keksen und Weihnachtsliedern. Ich verstehe nicht die Menschen, die die Pandemie weg reden und so tun als ginge sie nichts an. Wir müssen uns der Wirklichkeit stellen, sonst überrollt sie uns. Der Coronavirus ist dermaßen tückisch und unberechenbar, dass es wirklich jeden aus heiterem Himmel treffen kann.
Was gibt es dem entgegen zu setzen? Nichts.
Selbst biblische Geschichten setzen der Wirklichkeit nichts entgegen. Sie tun viel mehr: Sie nehmen inmitten unserer Wirklichkeit eine Macht wahr, die sich dem Bösen und Schweren unserer Tage entgegenstellt.
Es ist die Macht, die am 4.Advent die schwangere, unverheiratete, arme Maria jubeln lässt: „Meine Seele erhebt den Herrn…denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.“
Die mit der Wirklichkeit konfrontierte und überforderte Maria erlebt, dass da jemand in ihre Not hinein tritt, mit dem sie nicht im Ernst gerechnet hat. Jemand, der wie ein Engel plötzlich da ist und ihr sagt: Du bist nicht allein. Und sie merkt: Gott ist hier! Nicht in einem Paralleluniversum – sondern in diesem knallharten Leben. Verletzlich wie ich. Wie das Kind, das an Weihnachten in der Krippe liegen wird. Das mit seinem Dasein, das über Leid und das Kreuz hinaus weist, uns Hoffnung schenkt.
So verstehe ich meinen Dienst als Seelsorger: Mich der Wirklichkeit stellen. Dort sein, wo es wehtut. Nicht wegschauen. Nicht weglaufen. Mit aushalten. Meine eigenen Grenzen eingestehen. Nicht schön reden. Vielleicht auch das Schöne sehen, doch die Spannung nicht zu übertünchen. Zu sehen was da ist, aber auch was da kommt: Weihnachten. Die Menschwerdung Gottes und die darin liegende Botschaft. Ich bin da. Bei Dir. Ich gehe mit Dir. Ich denke an Dich. Ich trage Dich.
Jeder und jede kann eine solche Botschaft hinterlassen: Ich nehme mich zurück, damit Du gesunden kannst. Ich trage Mund-Nasen-Schutz für Dich. Ich gehe in die Distanz, weil ich Dir helfen will. Ich suche andere Wege, Dir nahe zu sein. Per Telefon, per Brief, per Tablet. Durch einen lieben Gruß, den ich Dir an der Pforte des Klinikums hinterlasse.
Das ist der 4.Advent. Nicht weichgespült. Sondern authentisch, ehrlich und wahr.