19.04.2020
Predigt zum 19.April 2020
Predigt über Jesaja 40,26-31
Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Wir schwingen uns heute hoch in die Lüfte – jedenfalls in Gedanken.
Selbst Jugendliche mögen müde werden,
starke Menschen können zusammenbrechen.
Sie hoffen auf Gott: Sie erneuern ihre Kraft.
Sie erheben die Schwingen wie Adler.
Und sie werden nicht müde.
Und ihre Kraft verlässt sie nicht.
Jesaja 40,30-31
In meiner vorigen Wohnung hat mein Haus am Hang gestanden. Zum Garten gingen es fünf Stockwerke runter und dann noch einmal tief ins Tal und auf der anderen Seite wieder hoch. Oft habe ich da – nun nicht gerade Adler – aber Bussarde und Habichte beobachtet. Hätte ich Menschlein auf die Anhöhe gegenüber gewollt, das wäre zwei Kilometer rings ums Tal mit dem Auto gewesen! Oder der direktere Weg zu Fuß 50 Höhenmeter runter und 60 wieder hoch. An guten Tagen wäre das in einer knappen halben Stunde zu schaffen gewesen. Da habe ich mir manchmal gedacht: Wie wäre es, könnte man einfach die Luftlinie nehmen! In weniger als einer Minute wäre man auf der anderen Seite und auf und davon. Was für eine Freiheit…
Wir schwingen uns gedanklich in die Lüfte – wie Jesaja vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren.
In diesen Tagen können wir uns vielleicht besser als sonst vorstellen, wie es sich angefühlt haben muss für die Menschen, denen er Gottes Wort bringt. Es ist Exil. Sie sitzen an den Flüssen Babylons, weit weg von zu Hause. Sie waren aus ihrem normalen Leben herausgerissen. Alles, was sie kannten, war auf einen Schlag ganz anders. Sie finden sich in einer fremden, unvertrauten Umgebung wieder. Nichts stimmt mehr. Nichts passt zum Gewohnten. Sie fühlen sich hilflos und fremd. Und sie fragen sich, wann können wir wieder heim? Wie lange noch? Wann wird alles wieder normal?
Was wir im Moment erleben, hat – zumindest in Deutschland – wenig zu tun mit dem, was Exilierte, Flüchtlinge in der ganzen Welt erlebt haben und erleben. Wir sind noch an Ort und Stelle. Wir schließen noch unsere eigene Haustür auf und zu. Schlafen im eigenen Bett. Trinken den gewohnten Frühstückskaffee. Und dennoch fühlt es sich seit ein paar Wochen fremd an im eigenen Leben. Normale Impulse führen ins Leere. Mal schnell zu IKEA fahren – ach die haben ja zu. Mit einer Freundin essen gehen. Ist nicht. Und schlimmer: Die Mutter, die Ehefrau im Altersheim besuchen – zu gefährlich. Wann ist das wieder zu Ende? Wann können wir wieder heim? Wann wird es wieder normal?
Es wird noch eine Weile dauern. So war es bei Jesaja. Und so ist auch die Lage bei uns.
Wie soll man nicht müde werden. Wie nicht verzagen?
Hebt eure Augen in die Höhe!
Denn da kommt die Kraft her.
Wie ein Adler werdet ihr eure Flügel ausbreiten.
Und ihr werdet frei eure Kreise ziehen.
Denn die Kraft aus der Höhe, die hat kein Limit.
Die unterliegt keinen Ölpreisschwankungen.
Die wird nicht knapp wie Mehl in den Regalen.
Schaut in die Höhe.
Da kommt Kraft her.
Das heißt natürlich auch: Ihr werdet Kraft brauchen.
So ehrlich ist Jesaja mit seinen Leuten auch.
Es gibt auch andere Propheten in seiner Zeit, die reden den Leuten nach dem Mund.
Alles nicht so schlimm, morgen wird alles vorbei sein. Fake News.
Jesaja ist ehrlich: Es liegt eine Aufgabe vor euch.
Aber es ist auch Kraft da.
Eines noch zum Adler: Er kann sich bekanntlich nicht nur hoch in die Höhe schwingen.
Ein Adler hat auch unglaublich scharfe Augen.
(Sonst hätte er keine Chance, jemals eine Maus zu fangen.)
Wenn wir unseren Blick heben und aufschauen: das brauchen wir, Adleraugen.
Adleraugen, die nach Hoffnungszeichen Ausschau halten.
Eines hängt an der Ottilie für diese Woche (und für das braucht man vielleicht tatsächlich Adleraugen – oder ein Fernglas). Halten Sie Ausschau!
Aber es geht, glaube ich, gar nicht so sehr um die optischen Augen.
Wir brauchen Adleraugen des Herzes.
Damit wir unsere Nächsten sehen und die Zeichen der Herzlichkeit gerade in diesen Tagen.
Damit wir achtsam füreinander bleiben, auch und gerade dann, wenn die Nerven mal blank liegen.
Und vor allem damit wir all die Dinge nicht übersehen, für die wir – trotz allem – dankbar sein können.
Eines meiner liebsten Worte der Bibel handelt von solchen Adleraugen:
Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid! Epheser 1,18
Schaut nach oben. Breitet eure Flügel aus wie Adler. Und schärft die Adleraugen eurer Herzen.
Denn unsere Hoffnung ist größer als alles, was uns jemals zustoßen könnte.
Und der Friede Gottes, der unsere Vernunft übersteigt, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.